Die fünf wichtigsten Schritte einer erfolgreichen Verhandlungsstrategie
Alle
1. Verhandeln im Pilotenstil
Die Corona-Krise belastet die Unternehmen enorm; viele kämpfen mit rückläufigen Auftragseingängen und steigenden Kosten.
Die Verbraucher halten sich zurück, die Preise für Rohstoffe und Vorprodukte ziehen an. Viele Unternehmer sind schon froh, wenn sie überhaupt in der bestellten Menge zum gewünschten Zeitpunkt beliefert werden. Gerade jungen Unternehmen und Mittelständlern fehlen aber oft die Rücklagen, um eine längere Durststrecke zu überstehen. Im B2B-Business werden viele als Lieferanten von Großkonzernen unter Druck gesetzt. Und die Banken halten sich als Kreditgeber zurück oder verlangen zusätzliche Sicherheiten.
Das zeigt: Verhandlungen mit Lieferanten und Kunden, Banken und Investoren haben große strategische Bedeutung. Es gilt, ein professionelles Verhandlungssystem mit zuvor klar festgelegtem Vorgehen zu entwickeln. Wie ein Pilot vor dem Start genau den Take-off in allen Einzelheiten kennt, die Risiken und die Notsysteme blind beherrscht, so müssen Sie mit Plan, klaren Zielvorstellungen und Alternativen die Verhandlung in allen Teilschritten genau vorbereiten. Eine professionelle Verhandlungstechnik verschafft einen Wettbewerbsvorteil.
Praxis-Tipp
Definieren Sie Ihre Ziele, strukturieren Sie Ihr Vorgehen in der Verhandlung und planen Sie rechtzeitig die Vorbereitung der Verhandlung. Die genaue Vorbereitung ist für den Erfolg der Verhandlung entscheidend.
2. Vermeiden Sie Emotionen in der Verhandlungsführung
Gerade bei kritischen Verhandlungen, bei denen es um den wirtschaftlichen Erfolg geht, zeigen Start-ups oder Mittelständler eine zu große emotionale Betroffenheit. Sie sind persönlich oft zu stark mit dem Verhandlungsobjekt verbunden. Damit fehlt es ihnen an Objektivität, um gut zu verhandeln. Verhandlungen verlaufen häufig suboptimal, wenn Unternehmer zu emotional reagieren, Frustrationen oder Ärger offen zeigen. Mit einer emotionalen Verhandlungsführung verlieren sie an Augenhöhe gegenüber Großkunden, großen Lieferanten oder Investoren, die Verhandlungen in der Regel systematisch und völlig emotionslos allein aufgrund ihrer Interessenlage führen.
Erfolgreiche Verhandlungen setzen eine strukturierte, allein an der Sache orientierte Vorbereitung voraus. Zur Sicherheit sollte man zusätzlich die Hilfe eines unabhängigen professionellen Verhandlungsführers in Anspruch nehmen, der dann auch die Gesprächsführung übernimmt.
Praxis-Tipp
Um ihren Spielraum auszuloten, lassen Sie die eigene Verhandlungsmacht und Ihr Vorgehen von einem unabhängigen Verhandler analysieren. Machen Sie sich auch die Ziele der Gegenseite klar und behalten Sie diese während des Verhandlungsprozesses ständig im Auge.
3. Spieltheorie: Nutzen Sie wissenschaftliche Verhandlungstechniken
Die Spieltheorie stellt wichtige Instrumente für eine optimale Verhandlungsführung zur Verfügung. Sie modelliert mathematisch Entscheidungssituationen mit mehreren Teilnehmern, sodass Interaktionen zwischen diesen berechnet und vorhergesagt werden können.
Dadurch lassen sich kontraproduktive Emotionen aus der eigenen Verhandlungsführung heraushalten. Für jede Verhandlung gilt es ein speziell auf diese Situation bezogenes Verhandlungsdesign zu entwickeln, das verbindliche Regelwerk einer strukturierten Verhandlung, das alle Anforderungen und Gegebenheiten berücksichtigt. Das kann ein einstufiger Prozess sein, bei dem die Verhandlung beispielsweise in Form einer holländischen Standardauktion stattfindet, oder ein mehrstufiger Prozess, der unterschiedliche Auktionsformen kombiniert. Ein optimales Verhandlungsdesign erfordert auch ein professionelles Verhandlungsteam. Nur so ist man gewappnet. Denn damit ist zu rechnen, dass die Verhandler auf der anderen Seite, und das sind häufig Großunternehmen, professionell und ohne jegliche Emotion das Maximum in der Verhandlung herauspressen.
Praxis-Tipp
Lassen Sie sich nicht auf Freestyle-Verhandlungen aus dem Bauch ein. Damit bieten Sie der Gegenseite die Gelegenheit, Sie über den Tisch zu ziehen.
4. Verhandlungsführung bei Wettbewerb und gegenüber Monopolisten
Haben Sie die Auswahl zwischen mehreren Lieferanten, Käufern oder Investoren, ist es sinnvoll, diese in eine Wettbewerbssituation zu bringen. Dann können Sie Ihre Verhandlungsführung auf Erkenntnisse der Spieltheorie stützen. Wenn immer möglich, sollten Sie mit mehreren Wettbewerbern verhandeln. Der Wettbewerbsdruck sorgt dann für ein für Sie optimales Ergebnis. Anders ist es bei einer Verhandlung, bei der es nur einen Lieferanten, Käufer oder Investor gibt. Dann befindet sich die Gegenseite in einer klassischen Monopolsituation.
In diesem Fall bieten Verhaltensökonomie und Psychologe eine ganze Reihe von Techniken, um sich gegen das Diktat des Monopolisten zu Wehr zu setzen. Zeigt dieser kein Entgegenkommen, können Sie anstelle des Wettbewerbsdrucks Sanktionen als Drohungen einsetzen. Auch hier gilt: Entscheidend für den Erfolg ist die genaue Vorbereitung.
Praxis-Tipp
Prüfen Sie im Vorfeld, ob Sie es wirklich mit einem Monopolisten zu tun haben. Häufig lassen sich Alternativen finden, sodass doch Wettbewerbsverhandlungen möglich sind. Und achten Sie auf aktive Verhandlungsführung und Kommunikation. Beides spielt gegenüber Monopolisten eine noch wichtigere Rolle als bei Wettbewerbsverhandlungen.
5. Existenzielle Verhandlungsziele und Kompromisse
Bei Verhandlungen geht es meist um eine ganze Reihe von Vertragsbestandteilen. Im Einkauf oder Vertrieb werden beispielsweise nicht nur Produkt- oder Dienstleistungspreise verhandelt, sondern auch Zahlungskonditionen, Transportkosten, Kosten für Verpackungsmaterial und Vertragsfristen. Notwendig ist es deshalb, für sich vorab zu klären, welche Eigenschaften des Vertrags unbedingt durchgesetzt werden sollten und welche weniger essenziell sind. Denn letztere können für die Gegenseite durchaus wichtig sein, sodass sie sich als Tradable eignen, die im Verlauf der Verhandlung bei der Suche nach einem Kompromiss strategisch für eigene wichtige Ziele eingetauscht werden können. Dies setzt voraus, dass der Verhandlungsprozess für jede Stufe und jedes Detail durchdacht ist. In einem Entscheidungsbaum lassen sich die jeweils möglichen Verhandlungsoptionen festhalten, um die eigene Position im Verlauf der Verhandlung stärken und die eigenen existenziellen Ziele durchzusetzen.
Praxis-Tipp
Zeigen Sie nicht gleich zu Beginn der Verhandlung, welche Vertragsbestandteile für Sie keine essenzielle Bedeutung haben. Das ermöglicht Ihnen, diese später, gegen Ende der Verhandlungen, gegen für Sie wichtige Vertragsfaktoren einzutauschen.
6. Welche Verhandlungsstrategie wann angebracht ist
Als gute Vorgehensweise hat es sich erwiesen, Verhandlungen nach ihrem Impact für das eigene Business aufzuschlüsseln und differenzierte Vorgehensweisen zu praktizieren:
o Für einfache Verhandlungen ohne große wirtschaftliche Bedeutung reichen Checklisten zur Vorbereitung. So lässt sich der Aufwand geringhalten.
o Mittelschwere Verhandlungen mit größerer wirtschaftlicher Bedeutung sollten gründlich vorbereitet sein. Hier ist zu prüfen, ob sich der Einsatz von spieltheoretischen oder verhaltensökonomischen Instrumenten und die Hinzuziehung eines objektiven Dritten lohnen.
o Bei komplexen Verhandlungen mit großer wirtschaftlicher Bedeutung (z.B. Großaufträge, Finanzierungsrunden, strategische Kooperationen mit Lieferanten oder Kunden, Kauf oder Verkauf von Unternehmensteilen) gilt: Den Verhandlungsprozess umfassend durchstrukturieren, Optionen für alle Fälle vorbereiten und einen unabhängigen, professionellen Verhandler hinzuziehen.